Der Elektro-Porsche aus dem Allgäu: Der eRUF – leider Geschichte

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Spannungsreiche Schöpfung der Gelassenheit. Das war der Titel einer meiner ersten Veröffentlichungen für ein damaliges Online-Lifestyle-Magazin. Eine gelassene Schöpfung war ich im Jahr 2012 dabei nicht, weil eigentlich konnte ich überhaupt nicht photographieren. Kamera an, aus – das wusste ich, zumindest so ungefähr. Zu dieser Zeit stand der kleine Fahrzeugveredeler RUF aus dem Allgäu hoch im Kurs, denn er wollte den ersten (Klein)serien-Elfer bauen und hatte dafür ein paar Prototypen bei sich in der Garage. Nun, an einem freien Tag fuhr ich dorthin und durfte einen Tag bzw. eben so lange, bis die Batterien leer waren (ja, war nicht lange) mit dem eRUF verbringen.

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Kurzfazit: ungewohnt, aber lustig, so ein Elektro-Porsche

Die Kreation des eRUF definierte eine außergewöhnliche – wenn auch aus heutiger Sicht eine vorerst sehr kurze – Ära der sportlichen Mobilität und Identifikation – elektrisch. Kaufen konnte man ihn nie und wird man auch niemals können, jedoch durfte ich damals tatsächlich Gefühl des lautlosen Gleitens für ein paar wertvolle Stunden in einem ebenso wertvollen Prototypen-Fahrzeug einmal selbst erleben.

Ich arbeite im Moment ein bisschen meinen damaligen Bericht auf, der mich zugegebenermaßen schon zum Schmunzeln bringt, denn eine Zwischenüberschrift hieß: “Völlig untypisch und doch faszinierend. Kraftvoll? Zweifelsohne. Elegant? Durchaus. Ein Porsche? Ein bisschen.”

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Der eRUF auf dem Mond? Nein, fast. Die Location war ein Baggersee, hatte aber starke Ähnlichkeit mit einer Mond- oder gar Marslandschaft

Tja, das war wohl mein Empfinden im Jahr 2012. Aus heutiger Sicht ist es natürlich nie im Leben ein echter Porsche gewesen. Wie auch.

Porsche-typisch war das Zündschloss beim eRUF auch links vom Lenkrad positioniert, nur war der Folgeeffekt der Schlüsseldrehung ein Anderer: das surrende Schließen des Stromkreises – nicht mehr und nicht weniger. An Stelle des Schalt- oder Wählhebels befanden sich drei Knöpfe: Vorwärts, Rückwärts und Leerlauf; einen Schalter für die Parkpo­sition gab es (noch) nicht, da der Prototyp des eRUF über kein Getriebe verfügte – die Handbremse im Proto­typen wurde daher zu einer äußerst wichtigen Komponente.

eRUF Photoshooting7 225x360 - Der Elektro-Porsche aus dem Allgäu: Der eRUF - leider GeschichteUnglaublich komisches Gefühl, nach der Schlüsseldrehung nichts zu hören

Für Neulinge der Elektromobilität stellte sich nur für einen kurzen Moment nach dem „An­lassen“ die Frage nach dem „und jetzt?“, denn man erwartete einen weiteren nötigen Schritt, um das über 1,8 Tonnen schwere Gefährt bewegen zu können und traute sich nicht, einfach los zu fahren.

Tatsächlich drückte man einfach auf den Knopf „F“ (Forward) und gab Gas. Auf den ersten Metern fühlte es sich an, als würde jemand das Fahrzeug schieben; das Gaspedal hatte eine deutlich weichere und am Anfang unempfindlichere Kennlinie als ein Werks-911 Carrera (Basisfahrzeug für den eRUF), es erweckte daher den Eindruck, dass alles etwas schwerfällig – gar ein wenig behäbig war.

Doch gab man sei­nem Fuß ein wenig mehr Freiraum und Kraft war diese Vermutung völlig fehl am Platz: die umgerechnet 204 PS und 650 Newtonmeter (die von Beginn an anliegen!) be­schleunigten den eRUF nicht nur aus dem Stand, sondern auch während der Fahrt ausge­sprochen zügig und souverän auf eine Höchstgeschwindigkeit von rund 220 Km/h. Allerdings spürte man bei schnellen Kurvenfahrten das hohe Gewicht des eRUF deutlich, wurde das Serienfahrwerk in diesem Prototypen (noch) nicht modifiziert.

Perfektionist, Alois Ruf

Es ist die Idee vom Fahren im Einklang mit der Natur, ganz ohne Emissionen – je­doch mit möglichst hoher Emotion. Dass dem echten Porsche-Enthusiasten das Herz zu Stein werden lässt, wenn man die Heckklappe (ehemals Motorraum) öffnet und ausschließlich Kabel an Stahlkästen hängen sieht, die an eine Intensivstation erinnern, ist logisch und nachvollziehbar.

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Intensivstation oder Antrieb? Letzteres.

Und ja, mir persönlich fehlte beim Fahren ein bisschen der Klang eines Sechszylinder-Boxermotors im Heck – stattdessen hört man den Fahrtwind, die Abrollgeräusche der Reifen, die Unterdruckpumpe des Bremskraftverstärkers und Frequenzen, mit denen der Motor angesteuert wird oder eben der Elektromotor selbst rotiert.

Für die meisten von uns sind dies wahrscheinlich keine Klänge, die hohe Emotion in einem Fahrzeug vermit­teln, möglicherweise ist es aber einfach eine Frage der jeweiligen Generation, diese Ge­räusche anders zu interpretieren. Zudem kommt, welche Werte und Normen man als menschliches Wesen kennt und welches Lebensbild einem durch die Gesellschaft vermit­telt wird. Die Kinder auf dem Bild – schätzungsweise 7 bis 11 Jahre alt – fanden das Gefährt ausgesprochen aufregend; dass es mit Strom fährt, faszinierte sie sogar besonders.

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Die Kinder fanden den eRUF sogar ganz spannend – und nicht so schlimm, dass er keinen “echten” Motor hatte

„Nicht so schlimm“, antworteten sie auf die Frage nach dem fehlenden Klang des Motors, den sie sonst eigentlich „richtig cool“ finden. Angenommen, vor einem Jahrhundert hätte sich nicht der Verbrennungsmotor, sondern gleich der Elektromotor durchgesetzt und man würde heutzutage aus irgendeinem Grund versuchen, den Verbrennungsmotor einzufüh­ren, fände man dann heutzutage das Surren einer E-Maschine besonders abenteuerlich und bedeutend? (Klar, damals wie heute war das Problem des Energiespeichers der triftige Grund für die Entscheidung gegen den E-Motor.)

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Shooting unter anderem am Baggersee

Nun, aber so abwegig ist das Thema heute nicht mehr. Porsche selbst steht kurz bevor, zwei seiner Baureihen vollständig zu elektrifizieren – zumindest für den Anfang zu hybridisieren. Das zeigten die Schwaben mit ihrer Studie des Porsche MissionE.

In sehr naher Zukunft müssen mehr als eine Milliarde Autos weltweit angetrieben werden, da erfordert es die Hilfe der Gesellschaft weitaus mehr als gedacht – in allen Facetten dieses Wandels. Man muss ja nicht gleich nebenberuflich – wie Alois Ruf – Wasserwerke betreiben, die jährlich etwa 35 Millionen Kilowattstunden ins Stromnetz einspeisen. Die Große Masse der kleinen Helden des Alltags ist der Schlüssel zu einem raschen Erfolg.

Rasches Ende für den eRUF – schon damals war es abzusehen

Bei einer theoretischen Markteinführung hätte der eRUF ungefähr 300.000 Euro gekostet. Aber das war nicht das einzige Problem: die Qualität der Batterien und die elektronische Abstimmung untereinander war ein sehr großes Problem. Dafür war ein kleiner Fahrzeugveredeler einfach viel zu klein. Große Pioniere wie Tesla mit zig-tausend Mitarbeitern hatten hier viel bessere Karten.

Doch was man zweifelsohne sagen muss: wir sind ja bis heute einige Elektrofahrzeuge immer wieder – und auch mehrmals – gefahren. RUF war damals seiner Zeit voraus. Hätte die kleine Firma die finanziellen Mittel und mehr Ressourcen zur Verfügung gehabt, hätte dies durchaus was werden können.

Benjamin Brodbeck

Benjamin Brodbeck ist 33 Jahre alt und studierte Automobilwirtschaft bei Prof. Dr. Diez. Danach wechselte er an die Universität Wien, wo er Publizistik- und Kommunikationswissenschaften studierte und mit dem akademischen Grad 'Magister der Philosophie' abschloss. Neben seiner Tätigkeit als Jazz-Pianist bringt er seine Leidenschaft für und sein Wissen von Automobilen in Form und Sprache als Publizist bei AUTOmativ.de sowie zahlreichen weiteren Plattformen und Unternehmen zum Ausdruck.

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One thought on “Der Elektro-Porsche aus dem Allgäu: Der eRUF – leider Geschichte

  • 17. Juni 2019 um 07:30 Uhr
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    Schade dass Herr Ruf sich nicht der von Herrn Musk weitestgehend freigegebenen Technologie von Tesla Motors bedient hat – damit wäre der eRuf beizeiten fertig und auch chancenreich gewesen.
    Siemens ist hier definitiv der falsche Partner gewesen. Die sind nur gut darin auf Steuerzahlerkosten mangelhafte Elektrotechnik an die Deutsche Bahn zu liefern. Echte und vor allem funktionable Innovationen sucht man bei Siemens leider vergebens.
    Schade !
    So schön wie der eRuf in seinem Retro-Targa-Look wird kein elektrischer Werksporsche je aussehen.

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