Fahrbericht Jaguar F-Pace S: Raubkater für die steinigen Wege

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Für die planierten Asphaltstrecken hat der englische Blechkatzenproduzent ja bereits seit einigen Jahren beeindruckendes in Petto. Mit dem Jaguar F-Pace S folgt die bislang leistungsstärkste Version für die gröberen Arbeiten. An Formschönheit musste der Raubkater dabei zwar kaum etwas einbüßen, jedoch war die Zähmschule offensichtlich Pflichtprogramm.

Zahmer röhrender Kater – mit Halskette

Keine Klappenauspuffanlage für den F-Pace S, der leistungsstärksten Version! Oh nein! Dabei war das eines der schönsten Dinge im F-Type S. Bevor nun die Welt ganz untergeht (geht sie nicht, zumindest nicht davon), erst einmal langsam: wir starten den Motor aus dem F-Type S trotzdem. Schließlich wollen wir nach Hause.

Galerie: Jaguar F-Pace S im Test

Jaguar F-Pace S im Test
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Jaguar F-Pace S im Test

Also gleich mal mittels der Knöpfe hinter dem Gangwahl-Dreh-Rad den Dynamik-Modus (sportlichste der drei verschiedenen Fahrzeugabstimmungen) anwählen und die Sportschaltung aktivieren. Beim ersten Ampelstart klingt er aber garnicht so langweilig wie man vermutet!

Und doch musste er mit Sicherheit vor seinem Marktstart gezähmt werden. Lautstarke Kater werden nämlich nicht so oft rausgelassen – leider. Sein starkes V6-Kompressorherz mit der Stärke von 380 Pferden und 450 Nm Drehmoment gibt trotzdem alles: es lässt die Stimmbänder mit hellem Klangteppich röhren – die Schaltwechsel des ZF-Wandlers werden genauso melodisch wie technisch sanft, aber präzise in die Gesamtkomposition eingearbeitet. Befehle erhält der Wandler übrigens entweder von der Automatik-Steuerung oder von den griffigen Schaltpaddels hinter dem Lenkrad.

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Macht Laune, diese Abgasanlage – auch ohne Klappensteuerung. Man muss nur das leichte Rasseln dazu aus dem Motorraum ignorieren.

Doch der warm-offensive Klang mit leichter unterdrückender Heiserkeitsnote wird durch das sachte Rasseln des Frontkompartments gestört. Als würde die Halskette des Katers bei der abendlichen Krauleinheit immer etwas mitklingen.

Uns wunderte: die technische Anordnung der Komponenten sowie der Motor der Sportskanone F-Type S ist sehr ähnlich, doch das rasselnde Säuseln des Aggregats fiel uns beim F-Type nicht auf. Je wärmer der Motor ist, desto weniger wird das Säuseln – aber es begleitet einen stets. Vor allem wenn man darauf sensibilisiert ist.

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20 Zoll Räder waren auf unserem Testwagen montiert – dem Winter sei Dank. Optional kann man auf bis zu 22 Zoll ab Werk aufrüsten. Das schaut dann richtig gut aus! Und ist dann richtig teuer.

Tiefe Nase, hohes Heck

Wir sagen: der Jaguar F-Type S ist momentan das schönste SUV auf dem Markt. Mit 4,73 Metern rund 13 Zentimeter kürzer als ein Porsche Cayenne stimmen die Proportionen. Ein Manko gibt es dennoch: die Heckpartie.

Während die Nase analog eines Katers, der gerade die Amsel vom Baum geholt hat, steil und skulptural im Wind steht, hängt das Heck etwas weit oben. Immer bereit zum Sprung könnte man sagen – aber in das freiliegende Fahrwerk blickend? Das fällt vor allem auf, wenn man in einem normalen Auto dahinter fährt.

Dazu kommen die etwas eingerückten Endrohre, die vom Prinzip her cool sind, das Heck aber aufgrund des hohen Abschlusses schmälern. Das kann einerseits den Eindruck kompromissloser Dynamik hervorrufen, andererseits aber auch optische Fragilität. Schwamm drüber – Spitzfindigkeit.

Scharfe Augen leiten hochpräzise

Zu Schnelligkeit gehören unvermeidbar gute Sehorgane. Der Jaguar F-Pace weist den Weg mit Hilfe seiner schmalen Voll-LED-Scheinwerfer. Im Tagfahrmodus gleicht ihre Luminanz dem Bild der Göttin Bastet. Im Nutzenmodus bekommt man ihre technisch hoch innovative Ausarbeitung zu Gesicht. Eine Fernblende-Automatik ist selbstverständlich an Bord.

Präzise ist erfreulicherweise auch die Lenkung. Bei Jaguar Land Rover war das schließlich mal keine Selbstverständlichkeit. Doch gerade für einen SUV ist die geschwindigkeitsabhängige Steuerung exzellent abgestimmt und verfügt über einen angenehmen Widerstand im dynamischen Modus. Auch erhält man ausreichend Feedback von der Oberflächenbeschaffenheit der Straße. So lässt sich der Jaguar F-Pace flink und präzise durch Serpentinen aller Art fahren – genau so muss das für einen SUV!

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Genau hier, bei der Bernd Kussmaul GmbH im Stuttgarter Großraum entstand das Interieur der C-X17 Studie. Die Außenhaut ist übernommen worden – das Interieur leider nicht.

Jaguar F-Pace S mit klarer Befehlsannahme

Kater sind ja immer etwas eigenwillig. Doch dieser hier ist gut dressiert. Eines der wichtigsten Eigenschaften, die ein Automobil haben muss, ist eine klare und rasche Annahme der vom Fahrer ausgehenden Befehle. Neben der Lenkung ist auch die Gasannahme des 3.0 Liter V6-Aggregates unmittelbar und bei voller Leistungsabgabe kraftvoll.

Da der Treibstoff des Metallkaters aber leider nicht Milch und Wasser ist, sondern Öl und Super Plus, kommt einem die Kraftauslebung auch teuer zu stehen. Ein Mal volltanken bedeutet maximal 450 Kilometer Reichweite auf dem digitalen Display stehen zu haben. Kein besonders freiheitliches Gefühl, das hier aufkommt. Angesichts 63 Litern Tankvolumen auch nicht weiter verwunderlich. Spätestens wenn die SVR-Variante mit V8 und über 500 PS des F-Pace erscheint, muss hier ordentlich gedreht werden.

Wem diese Denke widerfährt kann auch den nicht minder interessanten 3.0 Liter Dieselmotor mit 700 Nm Drehmoment ordern.

Trotz seines im Segment-Durchschnitt liegenden Gewichts von 1.861 Kilogramm spurtet er in 5,5 Sekunden aus dem Stand auf 100 Km/h. Das Achtgang-Wandlergetriebe aus Friedrichshafen schaltet unspektakulär, dafür zügig. Eine Drehzahlangleichung beim Herunterschalten ist in den meisten Fällen treffsicher gegeben.

Leichte Nervosität bei rascher Jagd

Dass er der erste seiner Art ist spürt man bei der Jagd nach Ringen und Sternen auf der linken Spur. Seine Landstraßen-Präzision bewahrt er nur bis 220 Stundenkilometer. Danach erfordert es vom Steuerungsorgan erhöhte Denk- und Aufmerksamkeitsleistung, Ruhe in den nervösen Galopp zu bringen.

Kater F hatte zwar auch Winterstiefel mit 20 Zoll Gummis an, der zeitgleich bei uns im Gehege gehaltene Cayenne S Diesel erledigte die Hochgeschwindigkeits-Aufträge analog seiner längeren Marktpräsenz und höheren Erfahrung präziser.

Zwar sind dies vermeintlich unscheinbare Nuancen, jedoch ist ein Nachschärfen des Briten-Fahrwerks nicht verkehrt.

Lichtdurchflutetes Raumgefühl

Wir haben bei unserem Besuch auf den Spuren des Ursprungs des Jaguar F-Pace S bei der Bernd Kussmaul GmbH Interieurteile gesehen, die man zur Beurteilung eines Serieninterieurs natürlich niemals heranziehen darf. Jedoch haben wir auch gesehen, wie das Interieur des Konzeptfahrzeugs des F-Pace – C-X17 – ausgesehen hat (und das Serienfahrzeug zumindest in Teilen hätte aussehen können).

Die beeindruckende Übernahme der Außenhaut in die Serienfertigung galt nicht für das einst spektakuläre Interieur: hier musste man vollständig Abstriche machen. Dennoch ist dieses in seiner – eigentlich für Porsche typischen – Farbkonstellation Rot-Schwarz mit weißem Alcantara-Dachhimmel durchaus schön und haptisch ansprechend geworden. Es reißt einen aber nicht vom Hocker, denn die Materialauswahl ist – für dieses Segment und im Vergleich zu Mitbewerbern, zum Beispiel dem Porsche Macan – in Ordnung. Kunststoff gewinnt eben oftmals bei Controllern. Individualisten rasten zwar vor Begeisterung nicht aus, aber sollten auch kein Manko identifizieren.

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Ein deutlicher Mehrwert, das Glasdach. Auch wenn es 1.224 Euro Aufpreis kostet. Das zu öffnende Dach ist noch einmal 300 Euro teurer.

Schön ist das Glasdach. Es gibt einem ein deutlich positiveres Raumgefühl, wenn die Sonne das Interieur flutet oder man nachts den Sternenhimmel bei sich trägt. Es überzeugt einerseits durch verschiedene Konfigurationen: entweder mittels verschiedener Teil-Elemente zu öffnen oder durch die flächenmäßig vollständige Abdeckung der Dachpartie mittels einer durchgängigen Glasplatte – nicht zu öffnen.

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Digitale Innereien: Virtuelles Cockpit

Wichtig ist auch die Digitalisierung des Cockpits. Diese neuartige Erscheinung ist teils optional. Angefangen beim mittig positionierten Multimediasystem – InControl Touch Pro – mit einer Größe von 10,2 Zoll für 816 Euro Aufpreis. Die Funktionsweise wird im Video hier dargestellt:

Darüber hinaus gibt es noch das 12,3 Zoll große TFT-Display hinter dem Lenkrad, also an Stelle der bislang analogen Rundinstrumente. Dieses System ist mittlerweile Serie. Es funktioniert gut, ist aber nicht ganz so gestochen scharf wie das virtuelle Cockpit bei Audi.

Natürlich kann man heutzutage kein Auto mehr ohne Sicherheits- und Assistenzsysteme verkaufen. Traditionsgemäß sagen wir dazu nicht viel, wenn alles so angeboten wird und so funktioniert, wie erwartet. Das ist beim 76.410 Euro teuren Jaguar F-Pace S der Fall.

Fazit von AUTOmativ

Optischer Eindruck  +++++
Qualität Karosserie  +++
Qualität im Interieur  ++
Lenkung  ++++
Fahrwerk  +++
 Motor  ++
 Raumangebot  +++
 Digitales Bedienkonzept  +++
 Innovation  +++
 Preis  +++
 Gesamteindruck  ++++
 +++++ = Maximum

Die Optik des Jaguar F-Pace S ist – trotz des hohen Heckabschlusses – einzigartig. Vor allem das Gesicht überzeugt durch seine Statur und Stämmigkeit. Abzüge gibt es bei der Interieurqualität. Die Leistung des Motors ist exzellent und absolut passend für den F-Pace S. Der relativ hohe Verbrauch und der kleine Tank sowie das leichte Rasseln gibt aber Abzüge. Insgesamt trotzdem ein gutes Auto, das preislich fair und im Vergleich zu Mitbewerbern sehr emotional auftritt.

Jaguar F Pace Weiterleitung Artikel AUTOmativ 2 - Fahrbericht Jaguar F-Pace S: Raubkater für die steinigen Wege

Benjamin Brodbeck

Benjamin Brodbeck ist 33 Jahre alt und studierte Automobilwirtschaft bei Prof. Dr. Diez. Danach wechselte er an die Universität Wien, wo er Publizistik- und Kommunikationswissenschaften studierte und mit dem akademischen Grad 'Magister der Philosophie' abschloss. Neben seiner Tätigkeit als Jazz-Pianist bringt er seine Leidenschaft für und sein Wissen von Automobilen in Form und Sprache als Publizist bei AUTOmativ.de sowie zahlreichen weiteren Plattformen und Unternehmen zum Ausdruck.

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