Kia ProCeed GT (2019) im Fahrbericht auf der Rennstrecke und Überland

706964f1e1ca43199a8671db1de2825d - Kia ProCeed GT (2019) im Fahrbericht auf der Rennstrecke und Überland

Dreitürige Kompakte verkaufen sich nicht mehr. Stufenhecks sind in Europa ebenfalls tot. Also was tun, wenn der bisherige Pro_Ceed! in argwöhnischer Nomenklatur eben nicht nur da ist, sondern auch einen besonderen Charakter verkörpert? Richtig: Man gibt ihn nicht auf. Jedoch kommt der Neue mit entkompliziertem Namen und in völlig neuer Karosserieform. Wir hatten den neuen Kia ProCeed GT mit 204 PS im ersten Test!

Premium zum Kampfpreis

Der neue Kia ProCeed kommt in der Basisausstattung immer als GT-Line. Dazu gehören mitunter Siebzehn-Zöller, LED-Frontscheinwerfer, ein Spurhalteassistent, eine Aluminium-Pedalerie, ein beheizbares Leder-Multifunktionslenkrad und einiges mehr. Für dieses gut geschnürte Paket verlangt der Kia Händler mindestens 27.690 Euro. Kommen ein paar Wünsche hinzu, bleiben auch diese durchaus im bezahlbaren Rahmen.

Galerie: Kia ProCeed GT (2019)

Kia ProCeed GT (2019)
Bild 4 von 10

Die GT-Line Versionen gibt es mit einem 1,6 Liter kleinen Dieselaggregat mit 136 PS sowie mit einem 140 PS starken Benziner. Wer den ProCeed GT ordert, zahlt 31.190 Euro, bekommt dafür 204 PS aus einem 1,6 Liter Turbobenziner und freut sich unter anderem über 18 Zoll große Alus, eine Duplex-Klappenauspuffanlage, tiefe Schweller mit roten Inlays, eine elektrische Heckklappe, rot lackierte Bremssättel und vieles mehr.

Kia ProCeed GT mit strammer Abstimmung

Schon auf den ersten Metern fällt das stramm abgestimmte Fahrwerk des Kia ProCeed GT auf. Es überzeugt mit detaillierten Rückmeldungen und harmoniert dazu exzellent mit der direkten Lenkung. Gleichzeitig bildet es die jeweiligen Oberflächenbeschaffenheiten fein spürbar ab und generiert dabei ein komfortables und gleichwohl sportliches Verhalten. Ebenfalls erwähnenswert: das Fahrwerk schirmt die Karosserie vor Vibrationen und Schwingungen vollständig ab.

Dafür verantwortlich sind MacPherson-Federbeine an der Vorder- und eine Mehrlenkeraufhängung an der Hinterachse. Und klar: der Shooting Brake – und vor allem die GT-Version – wurden noch einmal speziell abgestimmt. Die Federn an der Hinterachse sind gegenüber dem Grundmodell Ceed um 22 Prozent straffer und die Stabis um 3 Prozent steifer. Ist auch logisch: schließlich hat die lange Version hier deutlich mehr Masse.

Bei den Fahrten auf der Rennstrecke äußert sich diese Komposition in überraschender Präzision, lässt sich der Vorderwagen des Kia ProCeed GT präzise durch – auch vorher mir völlig unbekannte – Streckenabschnitte manövrieren. Allerdings spürt man das Gewicht und die Länge des Heckbereichs in Kurven deutlich. Die Hinterachse wird zwar nicht leicht, dennoch zirkelt der Shooting Brake nicht spielerisch, sondern eher antrainiert durch enge Kurven. Nichtsdestotrotz ist dies für einen etwas höher motorisierten Familien-Shooting Brake eine beachtliche Performance.

Im Vergleich zu extrem fahraktiven Fahrzeugen – wie zum Beispiel dem Renault Mégane GT oder gar R.S. – ist der ProCeed GT auf vollständige Sicherheit abgestimmt. Nicht nur greifen die elektronischen Helferlein (selbst im Sportmodus) bei vermeintlicher Gefahr im Verzug sofort ein, auch die Fahrwerks-Geometrie ist auf maximale Sicherheit im Sinne von Ausgewogenheit zwischen Vorder- und Hinterachse ausgelegt. Mit anderen Worten: eigentlich kann beim wilden Kurvenritt absolut nichts passieren. Sofern man es nicht grenzenlos übertreibt.

Mit 204 PS ausreichend motorisiert 

Über Sinnhaftigkeit und Unsinnigkeit, den Kia ProCeed GT auf der Rennstrecke zu fahren, lässt sich streiten. Außer Frage steht, dass sich die Fahrdynamik eines Fahrzeugs hier immer ehrlich offenbart. Wenn sich ein sportliches Auto auf der Strecke gut anfühlt, hat es meist mein Herz erobert.

Dass die Bremsen des Kia nach ein paar Runden das Fading einleiten ist tatsächlich ein Punkt, den ich erwartet hatte, gleichwohl aber auch erwähne. Das Material ermüdet eben bei Extrembelastungen relativ rasch. Völlig normal, denn im Preissegment von rund 30.000 Euro kann man keine Hochleistungsbremsenanlage erwarten. Viel wichtiger: sie fühlen sich auf flotten Serpentinenfahrten gut an, haben einen angenehmen Druckpunkt und verzögern mehr als ordentlich.

204 PS bei über 1,5 Tonnen Gesamtgewicht klingen erst einmal nicht sonderlich sportlich. Eher nach gut motorisiertem Familienfahrzeug. Doch ganz gleich ob mit serienmäßigem Sechsgang Schalter oder mit für 2.000 Euro zu Buche schlagender optionaler Doppelkupplung: die Gänge werden geschmeidig eingelegt und nutzen die stärken des 1,6 Liter kleinen Turboaggregats meist optimal aus. Die Schaltgassen beim manuellen Getriebe lassen sich sehr gut und intuitiv finden. Allerdings ist der sechste Gang für lange Autobahnfahrten recht kurz übersetzt. Das heißt, man rödelt schon bei 130 Km/h im gehobenen Drehzahlbereich von rund 3.500 Umdrehungen – ein siebter Gang wäre hier hilfreich und angenehm. Und effizienter noch dazu.

Ordentlich schnell ist man in jedem Fall: 7,5 Sekunden vergehen aus dem Stand auf Tempo 100. Für diejenigen, die mehr erwartet hatten (inklusive mir), den soll gesagt sein: es fühlt sich schneller an. Und kann unter optimalen Bedingungen auch etwas schneller sein.

Duplex-Abgasanlage mit witzigem Sound

Gebrabbel und leichtes Zwischengas-Geploppe bekommt man bei der GT-Version serienmäßig. Beide Endrohre sind echt – der Klang, der in das Interieur geleitet wird, ist es nur halb. Membranen und Lautsprecher verstärken den Motorensound im Sportmodus derart, dass es manchmal etwas lustig klingt.

Denn: aus einem 1,6 Liter kleinen Aggregat lässt sich nicht in jedem Drehzahlbereich ein V6-Sound zaubern. Das müssen selbst die italienischen Akustikkünstler von Abarth jeden Tag auf’s Neue erfahren. Einziges Manko: der Klappensound lässt sich nicht unabhängig vom Sportmodus abschalten. Auf längeren Autobahnfahrten könnten empfindliche Ohren möglicherweise irgendwann einmal genug vom Sportsound haben.

Kia ProCeed GT 2019 204 PS Hyundai i30 Test und Fahrbericht AUTOmativ.de Benjamin Brodbeck LQ 750x450 - Kia ProCeed GT (2019) im Fahrbericht auf der Rennstrecke und Überland
Ein bisschen Stinger steckt auch im Ceed bzw. ProCeed GT: senkrecht stehende Air-Intakes, eine breite Tigernase und weit außen positionierte LED-Scheinwerfer charakterisieren das Gesicht des sportlichen Südkoreaners maßgeblich.

Wie dem auch sei: die Fahr-Charakteristik, das optische Auftreten und die Sitzposition sowie -komfort bilden eine Einheit und geben eins schlüssiges Konzept ab. Das macht in jedem Fall Laune und erhellt das Gemüt. Eine stärkere Version wird es übrigens nicht geben. Es läge zwar auf der Hand – Stichwort Hyundai i30 N mit 250 bzw. 275 PS – aber Kia möchte seine Kundschaft dann lieber gleich zum Stinger bzw. Stinger GT leiten.

Hochwertiger und exklusiver als Hyundai

Im Vergleich zum Vorgänger sitzt man im neuen Kia ProCeed GT im Auto – und nicht auf einem Hochsitz. Das Interieur umschließt den Körper, die Sitzbeschaffenheit hält ihn bei angreifenden Fliehkräften sicher. Die Materialgüte ist gut: die beim GT serienmäßigen Sportsitze sind in einer Kombination aus Leder und Veloursleder ausgeführt. Das belederte Multifunktionslenkrad liegt gut in der Hand und fühlt sich hochwertig an. Insgesamt machen Interieurdesign und -umsetzung deutlich mehr her als beim Chassis-Spender Hyundai i30. Und nicht nur im Interieur: auch die Außenhaut ist optisch wertiger und exklusiver – finde ich.

Zur Navigation gibt es ein 8 Zoll großes Multimediasystem, das wir schon aus anderen Kia Fahrzeugen kennen. In Kooperation mit TomTom werden Navigationshinweise zuverlässig angesagt. Die Bedienung sowie die Darstellung sind akzeptabel, wenn auch nicht Top-of-the-line.

Auch im Fonds haben Passagiere gut Platz – die Übersicht nach vorne und zur Seite ist durchaus überdurchschnittlich. Der Kofferraum fasst 594 Liter. Das sind nur 31 Liter weniger als der des Sportswagon SW, also des Ceed Kombis. Durchaus ein Wert, der für Aufsehen sorgt, definiert sich der ProCeed GT vordergründig schließlich über sein Design sowie seine Performance.

Angesichts seines großzügigen Kofferraums kann er diese einseitige Betrachtung in eine vollumfängliche transformieren. Praktisch: die Rückbank ist im Verhältnis 40:20:40 per Fernentriegelung aus dem Kofferraum teilbar. Ski für Sportler oder Holzbalken für Heimwerker sind hiermit gut transportierbar. Und das intelligente Laderaumsystem mit einem Trennsystem auf Schienenbasis sowie ein Gepäcknetz sind ebenfalls von Porsche abgeschaut. Die elektrisch schließende und öffnende Heckklappe ist beim Kia ProCeed GT Serie – beim GT-Line optional.

GT-Line mit 140 PS oder 136 Diesel-PS

Eine Basisversion gibt es beim Kia ProCeed nicht. Schließlich muss ein Shooting Brake auch ordentlich etwas her machen – das geht nur mit Aerodynamik-Paketen. Und in diesem Fall ist dies die GT-Line, die es beim Kia ProCeed noch mit 140 Benziner-PS sowie mit 135 Diesel-PS gibt. Immer auch wahlweise mit Doppelkupplungsgetriebe (Automatik).

Nahezu alle Assistenzsysteme verfügbar

Der Kia ProCeed GT kommt mit vielen Assistenzsystemen serienmäßig. So sind zum Beispiel der Stauassistent, eine adaptive Geschwindigkeitsregelung, Einpark-Assistent, Frontkollisionswarner (der im Video auf der Rennstrecke vor zwei Kurven seinen Dienst nach Vorschrift ausgeführt hat), ein aktiver Spurhalteassistent, Spurwechselassistent, Querverkehrwarner, Verkehrszeichenerkennung, Müdigkeitswarner und Fernlichtassistent serienmäßig an Bord.

Kia Ceed in 3 verschiedenen Varianten – bald 5

Es gibt den normalen Ceed, den Ceed Kombi (Sportswagon) und jetzt auch den Ceed Shooting Brake. Letzterer hat den Zusatz „Pro“ vor dem Basis-Namen „Ceed“. Die Entscheidung, einen Kombi als auch einen äußerst ähnlichen Shooting Brake zu entwickeln, ist mutig – aber auch erfolgversprechend. Varianz im Modellportfolio zieht im Moment bei der Kundschaft. Schließlich ist sie so individuell wie nie. Deswegen kommen noch weitere Varianten.

Ceed SW Plug-In-Hybrid und Ceed SUV

Im Laufe des Jahres 2019 kommt ein Kia Ceed Plug-In-Hybrid mit einem 1,6-Liter Saugmotor mit 105 PS. Gemeinsam mit einem Elektromotor bringt es dieses Aggregat auf 141 PS Systemleistung. Im Moment läuft diese Kombination im Hyundai Ioniq sowie im Kia Niro.

Fazit zum Kia ProCeed GT

Dazu kommt noch die Kia-typische 7-Jahres Garantie und eine 2-jährige Mobilitätsgarantie. 31.190 Euro für den sportlichen Kia ProCeed GT sind damit schon ein echt verführerisches Angebot.

 Bewertung Kia ProCeed GT (2019)
 Optischer Eindruck +++++
 Qualität Karosserie ++++
 Lackqualität Karosserie ++++
 Qualität im Interieur ++++
 Sitzkomfort Cockpit ++++
 Sitzkomfort Fonds ++++
 Digitales Bedienkonzept +++
 Raumangebot +++++
 Innenraumgeräusch / Dämmung ++++
 Lenkung +++++
 Spurtreue ++++
 Fahrwerk ++++
 Motor +++
 Getriebeabstimmung +++
 Innovation ++
 Preis ++++
 Gesamteindruck ++++
 +++++ = Maximum

Benjamin Brodbeck

Benjamin Brodbeck ist 33 Jahre alt und studierte Automobilwirtschaft bei Prof. Dr. Diez. Danach wechselte er an die Universität Wien, wo er Publizistik- und Kommunikationswissenschaften studierte und mit dem akademischen Grad 'Magister der Philosophie' abschloss. Neben seiner Tätigkeit als Jazz-Pianist bringt er seine Leidenschaft für und sein Wissen von Automobilen in Form und Sprache als Publizist bei AUTOmativ.de sowie zahlreichen weiteren Plattformen und Unternehmen zum Ausdruck.

Benjamin Brodbeck has 1402 posts and counting. See all posts by Benjamin Brodbeck