Technik-Details des Koenigsegg Regera: Serienproduktion wohl doch mit Getriebe

Auf dem diesjährigen Genfer Automobilsalon hat die schwedische Supersportwagenschmiede Koenigsegg die Serienproduktion für das 2015 noch als Studie vorgestellte Modell Koenigsegg Regera bekanntgegeben. Wie von uns bereits 2015 berichtet, zeichnet sich die Konstruktion des Regera durch innovative Lösungsansätze, vor allem im Bereich des Antriebsstrangs, aus. Wir haben uns – neben der “Geisterhand-Funktion” – einmal genauer mit der Konstruktion auseinander gesetzt und möchten an dieser Stelle einige Details erläutern. Leider müssen wir dem Ganzen an dieser Stelle ein wenig den Zauber des „Antriebs ohne Getriebe“ nehmen.

Galerie: Koenigsegg Regera (2017)

Koenigsegg Regera (2017)
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Koenigsegg Regera (2017)

Prinzipieller Aufbau eines KFZ-Antriebsstrangs

Bevor wir uns dem Koenigsegg Regera widmen, sollten an dieser Stelle für die nicht ganz so versierten Antriebsexperten ein paar grundlegende Zusammenhänge am Beispiel des klassisch rein verbrennungsmotorisch angetrieben PKWs erklärt werden:

Die klassische Antriebsstrangkonfiguration setzt sich, dem Leistungsfluss folgend, in der Regel so zusammen: beginnend mit der Verbrennungskraftmaschine, dem sich anschließenden Zweimassenschwungrad oder ähnlicher Drehschwingungsberuhigung, in Verbindung mit der Kupplung, dem Getriebe mit Differential und schließlich den Achswellen bis hin zum Rad.

Da der Verbrennungsmotor erst ab einer gewissen Mindestdrehzahl, auch Leerlaufdrehzahl genannt, Drehmoment liefert, ist die Hauptaufgabe der Kupplung die notwendige Drehzahlwandlung beim Anfahren oder auch bei Schaltvorgängen durchzuführen. Des Weiteren ist es die Aufgabe des Getriebes, das Leistungsangebot des Verbrenners an die aktuelle Bedarfssituation beim Fahren anzupassen.

Da beispielsweise beim Anfahren ein sehr hoher Drehmomentenbedarf vorliegt, muss das Getriebe durch eine passende Übersetzung das vom Motor bereitgestellte Drehmoment und damit verbunden logischerweise auch die Drehzahl wandeln.

Der Antriebsstrang des Hypersportlers Koenigsegg Regera ohne klassisches Getriebe

Der Antriebsstrang des Koenigsegg Regera setzt sich zusammen aus einem Verbrennungsmotor, dessen Kurbelwelle mit einem Elektromotor und dem sogenannten „Hydraulic Coupling“ verbunden ist. Dieses hydraulische Element ist des Weiteren abtriebsseitig mit dem Final Drive (entspricht dem letzten Zahnrad des Antriebsstranges mit Differential) und den Achswellen gekoppelt. Auf den Achswellen ist jeweils noch ein Elektromotor platziert.

Was nun auf den ersten Blick an der Konstruktion unlogisch erscheint: Der Regera verzichtet im Vergleich zum klassischen Antriebsstrang auf ein mechanisches Getriebe!

Wie bereits erwähnt spielt das Getriebe im klassischen KFZ-Antriebsstrang, insbesondere in Verbindung mit einer Verbrennungskraftmaschine, eine entscheidende Rolle. Man sollte sich daher zuerst einmal folgendes vor Augen führen: eine Leerlaufdrehzahl von ca. 1000 U/min des verbauten 1100 PS starken Verbrennungsmotors ohne Möglichkeit der Drehzahl-/Drehmomentenwandlung (also ohne Getriebe) bedeutet, dass der Regera in der vorliegenden Konfiguration (feste Übersetzung von 2.73 am Final Drive + 20“ Räder) bei anliegender Leerlaufdrehzahl in etwa 70 km/h fahren müsste.

Laut Herstellerangaben schaltet sich der Verbrenner aber schon ab einer Geschwindigkeit von 30 mph (entspricht ca. 48 km/h) zu. Rein physikalisch gesehen also etwa 20 km/h „zu früh“.

Zudem ist es dem Fahrer auch möglich, zur Maximierung des Fahrerlebnisses, via Schaltpaddles am Lenkrad Gangwechsel vorzunehmen. Logischerweise haben sich die Schweden für die dazu notwendige Drehzahl- und Drehmomentenwandlung eines Kniffs bedient!

Schalten mit Schaltpaddles beim Koenigsegg Regera – und das ohne Getriebe? Geht nicht, klar.

Der Schlüssel dieser Konfiguration liegt im dem von Koenigsegg als „Hydarulic Coupling“ bezeichnetem Element, zu Deutsch „Hydraulische Kupplung”, oder auch mit „Hydraulischer Kopplung“ übersetzbar. Zum Vergleich: Klassische Trocken- oder Nasslaufende Kupplungen mechanischer Art dienen im Schlupfbetrieb als reiner Drehzahlwandler. Das vom Motor bereitgestellte Drehmoment hingegen wird bei den mechanischen Kupplungen an den sich anschließenden Antriebsstrang übertragen.

Das Feld der Hydraulischen „Kupplungen“ ist wesentlich breiter und bietet in Form von „Hydraulischen Wandlern“ auch die Möglichkeit zur Drehmomentenwandlung. Laut Hersteller ist ein solcher Hydraulischer Wandler im Antriebsstrang zwischen Verbrennungsmotor und dem Final Drive verbaut. Das bedeutet, dass das verbaute Kupplungselement nicht nur die Funktion und Aufgaben einer klassischen Kupplung erfüllt, sondern auch die solchen eines klassischen Getriebes erfüllen kann.

Mit diesen Elementen ist prinzipiell sogar eine stufenlose Übersetzungsänderung möglich! Dadurch lässt sich die „zu frühe“ Zuschaltung des Verbrennungsmotors bei 48 km/h, sowie die dann bei etwa 70 km/h eintretende starre Kopplung der Kurbelwelle an den restlichen Antriebsstrang mühelos erklären. Genau in diesem Betriebspunkt muss schließlich die Leerlaufdrehzahl des Motors nicht mehr gewandelt werden um das Drehmoment des Verbrennungsmotors an den restlichen Antriebsstrang weiterzuleiten. Auch die Gangwechsel lassen sich damit erklären!

Koenigsegg ist eines der innovativsten Fahrzeug-Unternehmen im Moment, doch ein wenig “getrickst” haben die Schweden schon

Es sollte jedoch an dieser Stelle festgehalten werden, dass Hydraulische Wandler keineswegs eine neuartige Erfindung von Seiten Koenigsegg sind, sondern bereits seit Anfang des 20. Jahrhunderts bekannt sind. Erstmals wurde 1905 von Hermann Föttinger ein derartiger Wandler zum Patent angemeldet. Auch heutzutage erfreut sich der sogenannte „Trilok-Wandler“ größter Beliebtheit als Anfahrelement bei Automatikgetrieben. Die sich ergebenden Vorteile in Form einer stufenlosen Übersetzungsänderung oder auch sehr gute Eigenschaften bei der Dämpfung von Drehmomentschwingungen und –Stößen werden in der Regel durch schlechte Wirkungsgrade in weiten Betriebsbereichen aufgewogen.

Festzuhalten bleibt: Koenigsegg verwendet kein Getriebe im klassisch mechanischen Sinn, sondern hat auf Grund der sich ergebenden Gewichtsvorteile, die bei einem Sportwagen natürlich höchste Priorität genießen, sich für eine andere Lösung zur Drehzahl- und Drehmomentenwandlung entschieden. Das soll jedoch keineswegs die Leistung und Kreativität bei der Entwicklung der vorliegenden Antriebsstrangkonfiguration schmälern. Insbesondere im Zusammenspiel der elektrischen und mechanischen Komponenten liegt das Einzigartige des Regera-Antriebsstrangs.

Martin Schmidt

Martin Schmidt ist technischer Autor bei AUTOmativ.de. Neben seiner Tätigkeit als Jazz-Kontrabassist studiert er am Karlsruher Institute of Technology (KIT) Maschinenbau im Master und hat schon die verschiedensten Einblicke in die Welt des Automobilbaus bekommen. Ob das nun Getriebeoptimierungen oder ganze Antriebsstrangkonzepte bei führenden Herstellern Europas waren - Martin hat dadurch tiefe Technik-Kenntnisse.

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