Fahrbericht Infiniti Q50 2.2 Diesel: Strahlender Glanz im fortgeschrittenen Alter

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Es muss nicht immer nagelneu sein! Unsere Zeit ist derart schnelllebig – und Technologien jagen ihresgleichen, Tag für Tag – dass wir uns immer nach dem Allerneuesten umschauen. Doch in der Automobilwelt ist jenes manchmal nicht so ausschlaggebend: obwohl der Infiniti Q50 seit Ende 2013 auf dem Markt ist und die bullige G-Baureihe ablöste, wirkt er dennoch frisch. Heute, rund drei Jahre später, wird es trotzdem – erwartungsbedingt – Zeit für eine Erneuerung. Wir hatten das sportliche Viertürer-Coupé – angesiedelt zwischen BMW 3er und 5er, oder auch Mercedes C- und E-Klasse – gerade deswegen bei uns im Test.

Infiniti Q50 Sport Tech mit offensiver Front-Optik und asiatischem Heck

Drei Jahre: in dieser Zeit erfahren Telefone eine Wandlung vom Trendsetter zum Außenseiter. Doch bei Automobilen kann die Zeit auch etwas gutmütiger sein. Gutes Design ist eben zeitlos. Im Großen und Ganzen dürfte diese These auf den Q50 zutreffen.

Galerie: Infiniti Q50

Infiniti Q50
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Infiniti Q50

Klar und scharf gezeichnete Linien in Kombination mit einem offensiven Chrom-Kühlergrill bestimmen das Gesicht des japanischen Limousinen-Sportlers. Wohl geformt verkörpern die sich über die gesamte Seitenansicht ziehenden Linien auch statische Dynamik; die Minderheit endet erst am Heck.

Jenes, von asiatischer Formensprache bestimmt, fällt schlank, ja fast zurückhaltend aus; eigentlich schwingt sogar ein bisschen britische Eleganz mit – die alten Jaguar Formen lassen grüßen. Aber das passt zum momentanen Infiniti-Hauptsitz – und früherer britischen Kolonie – Hong Kong.

Zwei Bildschirme im hochwertigen Interieur

Beim ersten Einsteigen erwartet einen Ungewöhnliches: zwei große Bildschirme warten auf Befehle. Offenbar ein Vorläufer der damaligen Tesla Model S-Philosophie, nur dass jene auf einen einzigen Bildschirm setzt. Von der einnehmenden Bildschirmfläche dürfte es aber ungefähr ausgewogen sein.

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Der untere Bildschirm bedient in den meisten Ansichten den oberen.

Der untere Bildschirm reagiert auf Befehle durch Tippen und Wischen – ähnlich des iPhones. Angenehm zu bedienen (und anzuschauen) ist die Glasplatte über dem unteren Display. Anwendungen können in Form von “Apps” angesteuert und geöffnet werden. Um ältere Herrschaften vor Überforderung zu bewahren, wurden die drei wichtigsten Menüs: Audi, Menu und Climate als separate Knöpfe unterhalb des Bildschirms angesiedelt.

Bei dem Multimediasystem schlägt – wie so oft – das Alter am meisten zu: schön wäre eine Integration von Apple CarPlay oder ähnlichem sowie eine modernere Zieleingabe mit besseren Eingabemethoden.

Die Menüführung des Multimediasystems ist genau so aufgeräumt, wie das Interieur selbst. Zwar hat man hier – zeitlich bedingt – noch nicht die aufregende und asymmetrische Designsprache des Q30 walten lassen, doch jenes Zurückhaltende passt auch besser zum Charakter der doch deutlich höher angesiedelten Sport-Limousine, die auch keine 20-jährigen ansprechen soll.

Die haptische Qualität, die wir teilweise beim Infiniti Q30 bemängelt haben – ist hier, trotz fortgeschrittenen Alters, nicht vorhanden. Alles ist fest – alles sitzt.

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Mittels eines Schalters am Lenkrad bekommt man das komplette Assistenz-Angebot – praktisch!

Assistenzsysteme: Alles notwendige an Bord

am rechten Bedienfeld des Multifunktionslenkrads befinden sich Tempomat bzw. ACC und Limiter sowie das Aktivieren der Assistenzsysteme. Jene funktionieren auch ohne das Aktivieren des Abstands- und Geschwindigkeitshaltesystems: bestehend auf Auffahrsystem, Spurhalte und Linien-Assistent greifen sie einfach in den normalen Fahrbetrieb ein.

Wir hatten jene nur selten an, denn die Elektronik bremst so früh, dass der Abstand zum Vordermann beim Heranrollen an die rote Ampel immer zu groß war und natürlich von den anderen Verkehrsteilnehmern genutzt wurde.

Der Spurhalteassistent, der über das zentrale Mulitmediasystem aktivierbar ist, greift nicht so stark ein, wie die Systeme des Volkswagenkonzerns – also beispielsweise bei Golf GTI oder Tiguan. Doch er hilft, lange Fahrten entspannter zu machen.

Optische und preisliche Attraktivität

Neben seiner optischen Präsenz ist natürlich auch die preisliche Gestaltung des Luxus-Sport-Coupé-Viertürers vergleichsweise ansprechend.

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Die Front des Infiniti Q50 macht ganz schön was her.

Der Testwagenpreis unseres Infiniti Q50 2.2 Sport Tech lag bei rund 53.000 Euro. Das klingt erst einmal viel. Wenn man sich jedoch den deutschen Wettbewerb anschaut, relativiert sich die ganze Sache wieder. Außerdem ist kaum Luft nach oben – vorausgesetzt man bleibt bei dem 2.2 Liter Mercedes-Triebwerk.

Kraftvolle und ausgeglichene Leistungsabgabe

Bestückt mit einem 2.2 Liter kleinen Vierzylindermotor von Mercedes-Benz mit 170 PS Leistung und 400 Nm Drehmoment kommt der Infiniti Q50 2.2 ordentlich voran, obwohl der Null auf Hundert-Sprint nicht seine Lieblingsdisziplin ist. Mit 8,5 Sekunden ist er damit 0,2 Sekunden langsamer als die C-Klasse 220 CDI, die auf das gleiche Herz zurückgreift.

Wenn auch gut hörbar, ist jenes Aggregat sehr angenehm zu fahren. Möglicherweise wären ein paar Dämmatten im Motorraum hilfreich für eine größere akustische Abschirmung des rauen Motors gewesen.

Die Kraft wird über ein Siebengang-Automatikgetriebe, das man auch am Lenkrad via Schaltpaddles bedienen kann, an die Hinterachse weitergegeben. Es schaltet keineswegs so schnell wie ein Doppelkupplungsgetriebe – auch im Sport-Modus nicht – und nimmt beim Herunterschalten auch keine Drehzahlanpassung vor. Kurz gesagt: Spaß macht es nicht so viel, an den sonst so von uns geschätzten Paddles zu schalten. Zumindest die Dieselversion des Q50 bleibt also charakterlich ein reines Automatik-Fahrzeug.

Der Verbrauch lag bei uns um die sieben Liter. Auch muss man dazu sagen, dass wir auf der Langstrecke von Stuttgart nach Wien und nach Köln zurück – außer in Österreich – meistens die maximale Leistung herausgeholt haben. Die zwei Wochen in Wien sind wir äußerst gemäßigt gefahren. Wahrscheinlich könnte man den Verbrauch auf 6 Liter bekommen – darunter (wie die Werksangabe von unter 5 Litern) erscheint uns sehr schwierig.

Lenken über’s Kabel – Drive by wire – ungewohnt

Der Infiniti Q50 nimmt Lenkbefehle seines jeweiligen Fahrers an, verarbeitet sie in einer Recheneinheit und gibt sie an die Vorderräder weiter. Mit diesem Konzept der Drive by wire-Lenkung war er einer der ersten auf dem Markt, doch die Technik setzte sich auch nur zurückhaltend durch.

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Auffallend schöne Kompositionen im Interieur: und auch das iDrive-inspirierte Bedienelement für das Multimediasystem macht einen höherwertigen Eindruck, als beim Q30.

Die meisten Mitglieder von AUTOmativ.de folgen stets dem Grundsatz – gleich welcher Typ Fahrzeug: so viel Technik wie notwendig, so wenig wie möglich.

Zum einen trägt der Q50 mit der aufpreispflichtigen drive by wire Lenkung ohnehin noch ein mechanischen Lenkgetriebe in sich – allein für den Notfall des – theoretisch unmöglichen – Versagens. Zum anderen fühlt man sich an jener Lenkung tatsächlich ein bisschen in die Kindheit zurückversetzt, als man mit einem Force-Feedback Konsolen-Lenkrad nächtelang Need For Speed spielte. Man bekam zwar Rückmeldung von der Straße, doch keine Kräfte der einzelnen Räder in Kurven. Und so ist es beim Infiniti Q50 auch: bei zügigen bergauf-Passagen steuert man zwar präzise die Kurven an, jedoch fehlt das intuitive Gefühl der jeweiligen Belastungsgrenzen der Vorderräder.

Das Fahren mit jener Lenkung – und vor allem in Kombination mit dem angenehm abgestimmten Fahrwerk – ist hochpräzise. Vor allem über den Fahrerlebnisschalter lässt sie sich perfekt einstellen und justieren und hat keinerlei Spiel in der Todeszone des Lenkrads. Dafür muss man aber ein ungewohntes Fahren ohne Rückmeldung der Kräfte von den jeweiligen vorderen Rädern in Kurven in Kauf nehmen.

Fazit zum Infiniti Q50 2.2 Sport Tech

Die wunderschöne und seltene Limousine, die etwas größere Abmessungen als BMW 3er oder Mercedes C-Klasse hat, gefiel uns generell gut. Trotz ihres Alters macht sie optisch auf jeden Fall etwas her – klammert man das Heck einmal aus. Fahrtechnisch traf die elektronische Lenkung nicht auf unseren Geschmack, auch wenn sie unglaublich präzise arbeitet. Das Interieur und die Qualität der Verarbeitung sind auf hohem Niveau. Das Multimediasystem mit zwei Bildschirmen ist interessant und einfach zu bedienen – die Bose-Sorround-Soundanlage tut ihr Übriges zum Langstreckenkomfort.

Benjamin Brodbeck

Benjamin Brodbeck ist 33 Jahre alt und studierte Automobilwirtschaft bei Prof. Dr. Diez. Danach wechselte er an die Universität Wien, wo er Publizistik- und Kommunikationswissenschaften studierte und mit dem akademischen Grad 'Magister der Philosophie' abschloss. Neben seiner Tätigkeit als Jazz-Pianist bringt er seine Leidenschaft für und sein Wissen von Automobilen in Form und Sprache als Publizist bei AUTOmativ.de sowie zahlreichen weiteren Plattformen und Unternehmen zum Ausdruck.

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