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Kilometerstand manipuliert: Wie Europa beim Gebrauchtwagenbetrug hinterherhinkt

Der europäische Markt für Gebrauchtwagen boomt: 2024 lag sein geschätzter Wert bei rund 635 Milliarden Euro. Doch mit dem Wachstum steigt auch die Gefahr von Betrugsfällen. Laut einer aktuellen Analyse des Datenanalyse-Unternehmens carVertical wiesen 4,9 Prozent aller Gebrauchtwagen im vergangenen Jahr einen manipulierten Kilometerstand auf, bei rund 40 Prozent wurden Vorschäden verschleiert.

Bereits vor sieben Jahren warnte das Europäische Parlament vor dem Ausmaß des Tachobetrugs: Die damaligen Schätzungen reichten von 1,31 bis 8,77 Milliarden Euro pro Jahr – ein Hinweis auf ein erhebliches Dunkelfeld. Doch es geht nicht nur ums Geld: Verschleierte Unfälle oder technische Mängel können die Sicherheit der Fahrzeuge und damit das Leben der Nutzerinnen und Nutzer gefährden.

Datenschutz als Hindernis für mehr Transparenz

Ein zentrales Thema ist der Umgang mit Daten. Die Datenschutz-Grundverordnung (DSGVO) der EU schützt personenbezogene Informationen konsequent – in manchen Fällen jedoch mit unbeabsichtigten Nebenwirkungen. Denn der weit gefasste Datenschutzbegriff erschwert es Unternehmen, fahrzeugbezogene Daten länderübergreifend auszutauschen. Das macht es schwieriger, die Historie eines Fahrzeugs nachzuvollziehen, insbesondere wenn dieses importiert wurde.

carVertical-CEO Rokas Medonis sieht hier Handlungsbedarf. Ein besserer Zugang zu fahrzeugbezogenen Informationen könne helfen, Informationslücken zu schließen und Vertrauen zu schaffen.

Uneinheitliche Regelungen innerhalb der EU

Die Regeln zum Datenaustausch sind in der EU nicht harmonisiert. Zwar existieren in vielen Ländern ausgefeilte nationale Systeme wie der „Car-Pass“ in Belgien oder die „RDW“-Datenbank in den Niederlanden. Diese leisten innerhalb der jeweiligen Länder gute Arbeit bei der Bekämpfung von Tachomanipulationen. Doch beim Export endet häufig die Transparenz. Deutschland als größter Exporteur von Gebrauchtwagen in der EU liefert unter Verweis auf die DSGVO nur eingeschränkt Informationen weiter. Auch andere Länder wie Italien tauschen Daten zu Fahrzeugschäden kaum mit anderen Staaten aus. Die Folge: In vielen Importländern, insbesondere in Osteuropa, fehlt die Datengrundlage für fundierte Kaufentscheidungen.

Gute Beispiele aus dem Norden

Dass Datenschutz und Transparenz kein Widerspruch sein müssen, zeigen Staaten wie Schweden und Finnland. Dort können Fahrzeughistorien inklusive Kilometerständen und Inspektionsdaten auch beim Export problemlos abgefragt werden. Großbritannien setzt ebenfalls auf ein Modell mit offenem Zugang zu Fahrzeugdaten – ein Vorteil für Verbraucher und Anbieter gleichermaßen.

EU braucht klaren Rahmen für Datenaustausch

Ein transparenter, EU-weit abgestimmter Datenrahmen könnte den Gebrauchtwagenmarkt deutlich fairer machen. Dafür müssten die Datenschutzregeln, die Open-Data-Richtlinie und künftige EU-Datenverordnungen besser aufeinander abgestimmt werden.

Ein einziger Satz von carVertical-CEO Medonis bleibt dabei besonders hängen: „Sobald ein Fahrzeug den Besitzer wechselt, hinken die Informationen über das Fahrzeug schnell dem physischen Vermögenswert hinterher.“ Ein stärkerer Fokus auf nachvollziehbare Fahrzeughistorien, kombiniert mit einem verantwortungsvollen Umgang mit Daten, könnte den Weg ebnen für mehr Vertrauen auf dem europäischen Gebrauchtwagenmarkt – zum Schutz der Verbraucher und zur Unterstützung ehrlicher Anbieter.

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