Test Audi A8 55 TFSI Langversion: “Hallo Audi, ich habe Angst!”

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Gestern war Halloween. Grund genug, eine Gruselgeschichte nachzureichen. Wie wäre es hiermit: eine unsichtbare Kraft im neuen Audi A8 erlaubt es der High-Tech-Festung, umgangssprachlich formulierte Systembefehle – selbst für die Klimaanlage – anzunehmen und ihn in absehbarer Zeit alleine fahren zu lassen. Unter Verwendung seiner Rechenpower könnte man wahrscheinlich zum Mars fliegen – und tut es wahrscheinlich auch, wenn man sich im uferlos ausgestatteten Multimediasystem vertippt. Wie der A8 wohl auf “Hallo, Audi, ich habe Angst vor Deiner Macht” reagieren würde, außer auch diesen Datensatz irgendwo in Ingolstädter Kellerräumen zu speichern?

“Hallo Audi, mir ist kalt”

Der neue Audi A8 reagiert auf ungewöhnlich lockere Formulierungen. Der Satz “Hallo Audi, mir ist kalt” ist nun schon bekannt, denn als Antwort darauf erhöht das Fahrzeug die Temperatur im Interieur und schaltet die Sitzheizung an. Das ist nur ein besonders plakatives Beispiel unter vielen, das den Umfang der neuen Technologieoffensive des Audi A8 darstellt.

Galerie: Audi A8 55 TFSI im Test

Audi A8 55 TFSI im Test
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Der seit 5. Oktober bestellbare Luxusliner ist zwar frühestens Anfang 2019 teilweise autonom unterwegs, hat aber jetzt schon die modernste Technik an Bord, die nur schon David Hasselhoff vor drei Jahrzehnten bei K.I.T.T. erleben durfte. Einem neuen Transporter-Film mit Bruce Willis dürften diese Technologien hingegen im Weg stehen. Denn Pakete ungeöffnet unter dem Radar zu transportieren, wird der kommunikativen Blechkarosse schwer fallen.

Gleichwohl könnten jene Filme, die bei mir persönlich das Image eines A8 – oder vielmehr S8 – nachhaltig positiv beeinflusst haben, eine neue Dimension erreichen: zwar werden die kommenden S8- und W12-Varianten stärker und schneller als je zuvor, doch auch technologisch angreifbarer. Ich weiß, es langweilt, aber der Jeep auf der Interstate gehorchte seinem Fahrer bei nahezu keinem mechanischen und elektronischem Bauteil mehr. Und das war – im Vergleich zum neuen Audi A8 – ein technologisch weit weniger fortschrittliches Auto.

Also wie wäre es mit einer neuen Dimension bei den Transporter-Filmen? Die bösen Hacker haben eine Bombe im Paket, das gerade von Bruce Willis mit dem neuen S8 transportiert wird und planen, das vornehme Blechkleid in eine Menschenmenge zu steuern? Zugegeben, an der Kreativität und spannenderen Umsetzung ist noch Luft nach oben.

Ich mache mir manchmal Sorgen, wirklich

Und da hilft es auch nur bedingt, wenn Dr. Kiss in künftige Fahrzeuge zwei redundante Systeme einsetzt, die in genau der selben Millisekunde gehackt werden müssen, um die Kontrolle über das Fahrzeug zu erlangen. Denn zwischen Unternehmen und Hackern besteht genau so ein Wettrüsten, wie zwischen den Vereinigten Staaten und Nordkorea. Hacker programmieren eben wieder ein Programm, das in der Lage ist, beide redundanten Systeme in der selben Millisekunde unter Kontrolle zu bringen. Audi, Benz und Co.: ich mache mir darüber manchmal wirklich Sorgen.

Das Flaggschiff A8 ist einzigartig

Nicht falsch verstehen: ich bin absolut technologiebegeistert. Es ist fantastisch, mit welchen Innovationen wir kontinuierlich konfrontiert werden. Immer noch ein Stück weiter – hin zur Vollautonomie von Maschinen und Geräten. Und es ist immer wieder der selbe Satz, der gesagt und geschrieben wird: es kann uns Menschen so viel erleichtern – uns aber auch das Leben schwerer machen.

Neuer Audi A8 2018 im ersten Fahreindruck Test Fahrbericht Neuvorstellung Benjamin Brodbeck AUTOmativ 28 - Test Audi A8 55 TFSI Langversion: "Hallo Audi, ich habe Angst!"
Beinfreiheit? Muss man nicht diskutieren. Das hier ist First Class vom Allerfeinsten. Und Steuer- und Bedienelemente in OLED-Technologie gibt es noch dazu.

Der neue Audi A8 in der Ausführung 55 TFSI als Langversion jedenfalls, versüßt mir diesen Morgen in Valencia. Schon beim Einsteigen spüre ich, dass mein Status diesem monumentalen Gebilde (noch) nicht gewachsen ist. Künftige Unternehmens-Chefs, Staatenlenker oder Unterweltbosse werden ihren Allerwertesten dort platzieren, wo mein Kamera-Equipment in diesem Moment eine Rückenmassage bekommt: hinten rechts.

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Kein Auto zu sehen? Muss auch mal sein. Durch die teilautonomen und autonomen Funktionen des Audi A8, wie selbstständiges Einparken in Parkhäusern oder gar das Übernehmen des Lenkrads in Staus, soll man mehr Zeit für solche Dinge haben, wie diesen großartigen Sonnenaufgang in Valencia. Wenn man fertig genossen hat, holt einen sein Audi A8 wieder ab, der sich unmerklich hinter der nächsten Ecke versteckt hält – wie ein ständiger Begleiter. (Achtung, noch Zukunftsmusik – von K.I.T.T. inspiriert)

Hinten sitzt der Kaiser

Hier ist Platz ohne Ende. Und wenn ich schreibe ohne Ende, dann ist das auch so gemeint. Ich wette, dass die alte Elite der oben genannten Zielgruppe mit expandierten Verdauungsorganen nicht einmal die Rückenlehne des Vordersitzes berühren kann. An jenen sind Monitore angebracht; in greifbarer Nähe befinden sich Ablagen und Staufächer in großer Anzahl. Optional ist sogar für die Fußmassage – neben der Rückenmassage in fünf verschiedenen Kreationen und jeweils drei verschiedenen Intensitäten – gesorgt.

Eine exzellente Verarbeitungs- und Materialqualität ist genau so selbstverständlich, wie die elektrische Sitzverstellung der beiden hinteren Einzelsitze. Dank ihr kann man hier hinten fast liegend arbeiten – oder telefonieren. Neu ist ein herausnehmbares OLED-Display mit Touch-Funktion, das die Befehlszentrale für Komfort und Moral darstellt. Internet- und Telefonfähig ist dieses Teil nämlich zudem.

Der große Bruder wacht stets über mich

Doch ich bin alleine und muss dieses Schiff mit 5,30 Meter Länge selbst durch die gefühlt zwölfspurigen Kreisverkehre Valencias befördern. Wenn zwölf Spuren nicht ausreichen, machen die Spanier auch gerne eine dreizehnte auf – irgendwo zwischen der elften und der achten. Schier unglaublich, aber der Verkehr läuft geschmeidiger als in unseren hochregulierten Gefilden. Trotzdem habe ich Angst um die Metallic-Außenhaut.

Jetzt merke ich tatsächlich, dass ich dem neuen Audi A8 auch technisch nicht gewachsen bin. Zeitbedingt habe ich mich ohne Einweisung vom Hof geschlichen und stehe jetzt inmitten der spanischen Rush Hour mit einem über 130.000 Euro teuren Technologieträger. Dessen Sensorik und Intelligenz kann zwar so gut wie alles messen und auswerten, doch der Einsatz dieser zum richtigen Zeitpunkt erfordert eher eine Fluglizenz, als einen deutschen Führerschein. Und gerade in der Hektik des Verkehrs ist es ein Unding, sich auch noch intensiv mit dem Cockpit zu beschäftigen. Also muss die nächste Haltebucht für einen kurzen Selbst-Crashkurs herhalten.

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Denn bis zu 41 Assistenzsysteme müssen erst einmal richtig eingesetzt werden können. Denn es hilft nicht zu wissen, dass mehrere Augen und Sensoren stets mitfahren, wenn man deren Hinweise nicht zu deuten versteht. Schließlich macht mir die Befehlserteilung an das Sensorenorchester im Moment mehr zu schaffen, als mir das reine Fahren zusetzen würde. Da ist das Umstellen des Radiosenders noch die einfachste Aufgabe.

Schweben statt fahren

Immer wenn sich die Staatskarosse durch meinen Befehl in Bewegung setzt, spüre ich eine Urgewalt, die ausnahmsweise nicht dem 3.0 Liter großen V6-Biturbomotor mit 340 PS entspringt. Diese Gewalt ist rein technologischer Natur. Man hört die fahrende High-Tech-Zentrale förmlich denken – in jeder Millisekunde. Ob es das Luftfahrwerk ist, das zu schnell von der Seite herannahende Fahrzeuge erkennt und vor einem vermeintlichen Aufprall die Fahrzeugseite aufstellt oder der adaptive Fahrassistent, der nahezu alle Verkehrssituationen einschätzen kann und mich aktiv unterstützt.

Dieses Gefühl ist mächtig. Schließlich ist der große Audi mit seinem riesigen Ansaugtrakt damit das modernste Auto der Welt. Und so fährt sich besonders die um 23 Zentimeter längere Langversion auch. Bodenwellen werden ohne zu fragen geschluckt – Fahrer sowie Insassen schweben somit auf einem fahrend-fliegenden Teppich.

Der adaptive Fahrassistent hält den Audi A8 fortwährend in der Mitte der Spur – ohne das bekannte Ping-Pong-Spiel von rechter zu linker Seitenlinie zu vollziehen. Darüber hinaus richtet er seine Geschwindigkeit nach den Verkehrsschildern. Um hier nicht den Verkehrsfluss aufzuhalten, kann man in den Untermenüs eine Toleranz einstellen.

Bei Aktivierung bremst der A8 erst ein paar hundert Meter hinter dem Verkehrszeichen auf die vorgeschriebene Geschwindigkeit – und beschleunigt auch wieder ein paar Meter vor dem kommenden. Das hat bei meinem Test ganz gut funktioniert, auch wenn er bei einer Autobahnausfahrt das 60er-Schild erkannt hat, auf der weiterführenden Autobahn aber 120 erlaubt waren. Das abrupte Abbremsen war nicht nur nicht schön, sondern auch gefährlich – wäre jemand hinter mir gewesen. Das ist eine Ausnahme, doch immer daran denken: bei einem vollautonomen Fahrzeug darf solch eine Situation unter keinen Umständen entstehen.

Deswegen: nehmen Sie das Lenkrad für eine Weile doch lieber selbst in die Hand. Der neue Audi A8 ist auch so spannend und entspannend genug.

Fazit und Preis zum neuen Audi A8 55 TFSI Langversion

 Optischer Eindruck  ++++
 Qualität Karosserie  +++++
 Qualität im Interieur  +++++
 Lenkung  ++++
 Fahrwerk  +++++
 Motor  +++++
 Raumangebot  +++++
 Digitales Bedienkonzept  +++++
 Innovation  +++++
 Preis  ++++
 Gesamteindruck  +++++
   +++++ = Maximum

Der neue Audi A8 ist optisch zwar nicht ganz so sexy, wie der neue Audi A7, dafür verkörpert er aber Status und Macht wie nie zuvor. Er ist technologisch das modernste Serien-Auto, das es zur Zeit weltweit gibt. So macht Audi seinem Leitspruch alle Ehre. Auch das Fahren ist – neben dem Sitz- und Unterhaltungskomfort – einzigartig luxuriös. Luxuriös ist auch der Preis: denn unter 100.000 Euro bekommt man keinen schönen Audi A8.

Benjamin Brodbeck

Benjamin Brodbeck ist 33 Jahre alt und studierte Automobilwirtschaft bei Prof. Dr. Diez. Danach wechselte er an die Universität Wien, wo er Publizistik- und Kommunikationswissenschaften studierte und mit dem akademischen Grad 'Magister der Philosophie' abschloss. Neben seiner Tätigkeit als Jazz-Pianist bringt er seine Leidenschaft für und sein Wissen von Automobilen in Form und Sprache als Publizist bei AUTOmativ.de sowie zahlreichen weiteren Plattformen und Unternehmen zum Ausdruck.

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