Fahrbericht: VW Polo GTI (2018) lässt den Golf R auf dem Rundkurs nicht in Ruhe

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David gegen Goliath – so könnte man das Spiel zwischen dem Führungsfahrzeug Golf R auf dem mallorkinischen Rundkurs in Llucmajor und dem neuen VW Polo GTI betiteln. 310 gegen 200 PS, Allrad- gegen Vorderradantrieb und 1.490 gegen 1.350 Kilogramm – wer gewinnt wohl? Nur so viel sei vorweggenommen: der Golf R vor mir hatte es nicht leicht, obwohl Rennfahrer Benjamin Leuchter am Steuer saß. Fahrbericht.

 

VW Polo GTI leichtfüßiger und flinker als Golf R

“Gibst Du gerade Vollgas?”, frage ich Benjamin Leuchter im Golf R vor mir über das Walkie-Talkie. “JA! Ich steh voll auf dem Gaspedal!” kommt von ihm zurück. Ich muss am Steuer meines VW Polo GTI auf der Gegengeraden kurz danach sogar einmal leicht das Gaspedal lupfen, damit ich dem Golf R kurz vor dem Anbremsen der Schikane nicht in den Kofferraum fahre.

Galerie: VW Polo GTI Test

VW Polo GTI Test
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Für eine PR-Show schätze ich meinen Namensbruder und Rennfahrer zu ehrlich ein. Deswegen bin ich beeindruckt: der Golf R hat es auf dem Kurvenreichen und kleinen Rundkurs auf Mallorca echt nicht einfach. Denn er ist zwar 110 PS stärker und verfügt aufgrund des Allradantriebs über eine deutlich bessere Traktion, doch 140 Kilogramm Mehrgewicht und eine Gran Turismo-Abstimmung des Fahrwerks sind bei vielen engen Kurven einfach nicht wegzudiskutieren.

Während der neue VW Polo GTI flink durch die Kurven tänzelt und sein Gewicht – von immerhin auch über 1,3 Tonnen – spielerisch kaschiert, kämpft der Golf R mit den ständigen Lastwechseln und verflucht seinen Winterspeck.

320 Nm Drehmoment, 200 PS Leistung aus einem 2.0 Liter Vierzylinder

Und dabei ist der neue VW Polo GTI groß geworden. Nicht nur in seinen Abmessungen, sondern auch an seinem Herzen. Ab sofort wird die Vorderachse von einem 2,0 Liter Vierzylindermotor befeuert, der über eine Leistung von 200 PS und 320 Nm Drehmoment verfügt. Der Motor entstammt der Familie EA888 und teilt sich seine Architektur und Bauweise mit den potenteren Versionen aus Golf GTI und R.

Doch aufpassen: einfach einen Chip anstöpseln und auf 300 PS pimpen – “weil der ‘gleiche’ Motor ja auch im Golf R verbaut ist” – funktioniert nicht. Ein kleinerer Turbolader und weitere Komponenten würden ihn an einer derartigen Leistungsentfaltung langfristig hindern.

1VW Volkswagen Polo GTI 2018 im Fahrbericht Test AUTOmativ.de Benjamin Brodbeck 21 - Fahrbericht: VW Polo GTI (2018) lässt den Golf R auf dem Rundkurs nicht in Ruhe

Chiptuning muss für den Anfang auch erst einmal nicht sein. Schließlich hängt der kleine Racker spontan und kraftvoll am Gas. Meine Schaltbefehle gehen per Paddles am Lenkrad über ein Sechsgang-DSG an die beiden Vorderräder. Das ‘neue alte’ Doppelkupplungsgetriebe verfügt nun über eine Nasskupplung, hält mehr Drehmoment aus, muss dafür aber alle 30.000 Kilometer zum Service (wird bei der normalen Inspektion miterledigt). Das vorige rief erst nach 60.000 Kilometer den Doc.

Nichtsdestotrotz sind die Gangwechsel gewohnt zügig und werden von dem typischen DSG-Schaltsound untermalt. Überhaupt ist der Sound des neuen VW Polo GTI im Vergleich zu seinem Vorgänger deutlich besser geworden. Mehr Brabbeln und mehr Fauchen erreicht jetzt die Insassen als auch die Umwelt – doch klar, alles im Rahmen der Akzeptanz. 

Die Bremsen vom Vorgänger

Beim ersten Anbremsen auf die Schikane nach der längsten Geraden des Rundkurses – also von rund 170 auf 40 Km/h – gibt die Bremse gutes Feedback und nimmt meine Dosierungsvorstellungen (Vollbremsung) perfekt an. Auch das darauf folgende leichte, kurze Antippen in den nahenden S-Kurven stellt – auch in Kombination mit dem elektronischen Sperrdifferenzial XDS+ – keine Probleme dar.

In der zweiten und vor allem dritten Runde merkt man, dass das Bremspedal etwas breiig wird – die Bremse faded aus. Beim Rückkehren in die Boxengasse fängt sie plötzlich – trotz Cool-Down-Runde – an, zu rauchen. Genau das kenne ich vom Vorgänger-Polo GTI bei meiner Ausfahrt durch die Vogesen sowie auf der Rennstrecke am Bilster Berg. VW hat hier keine andere Bremsanlage verbaut, sondern die 312 Millimeter großen Scheiben des Vorgängers seinem Nachfolger transplantiert. Im normalen Straßenverkehr – auch bei flotter Fahrweise – agiert die Bremse äußerst gut. Doch unter Extrembelastung wünsche ich mir eine Performance-Bremse. Oder zumindest eine bessere Kühlung (falls das überhaupt möglich ist).

XDS+ greift auch auf die Hinterachse ein

Das elektronische Frontdifferenzial erledigt seine Aufgabe hingegen phänomenal und ohne Unsicherheit. Bremseingriffe an den jeweiligen Vorderrädern sind nicht mehr zu spüren.

Lediglich minimale unvorhergesehene Richtungsänderungen des Vorderwagens sind durch die dynamischen Bremseingriffe an der Vorderachse sowie an den Hinterrädern auszumachen. Ich merke, dass das Fahrzeug in extrem engen Spitzkehren, die ich entweder mit leicht zu hoher Geschwindigkeit anfahre oder bei denen ich schon vor dem Scheitelpunkt zu viel Gas gebe, seine Elektronik aktiviert und meinen Lenkeinschlag mit geschmeidigen Bremskorrekturen der jeweiligen Vorderräder korrigiert. Die Abstimmung ist so perfekt, dass das Heck in Haarnadelkurven leicht angewinkelt wird, um die Karosserie noch schneller durch die Kurve zu führen.

Klar, das System XDS+ ist im Wesentlichen genau das aus dem Vorgänger. Nur eben noch einmal feiner und besser abgestimmt. Eine mechanische Vorderachsquersperre wäre natürlich erste Sahne, der Verzicht in Anbetracht der Kosten und der notwendigen Differenzierung zum Golf GTI aber nachvollziehbar.

VW Polo GTI kann im Vergleich zum Polo Highline die bessere Wahl sein 

Der neue VW Polo GTI starte bei 23.950 Euro – ausschließlich als Fünftürer. Wer sich ihn konfiguriert, wird schnell merken, dass man schwer über die 28.000 Euro Gesamtpreis hinauskommt. Das ist ungewöhnlich für die sonst so ausufernde Volkswagen-typische Optionsliste. Ein Polo Highline mit 100 PS weniger kommt im Endkonfigurationspreis oft deutlich über den Grundpreis des Polo GTI, der schon mehr serienmäßig an Bord hat und deutlich mehr Spaß macht.

Konfigurieren Sie einfach mal beide Varianten durch und schreiben mir gerne, was Sie dazu denken.

Fazit zum VW Polo GTI

 Optischer Eindruck  ++++
 Qualität Karosserie  +++++
 Qualität im Interieur  ++++
 Lenkung  +++++
 Fahrwerk  +++++
 Motor  ++++
 Raumangebot  ++++
 Digitales Bedienkonzept  ++++
 Innovation  +++
 Preis  ++++
 Gesamteindruck  +++++
   +++++ = Maximum

Der neue VW Polo GTI ist ein Alltagsauto, das die Ernsthaftigkeit des Lebens in unserem fortwährenden Hamsterrad mit seiner charmant-deutschen Leistungsinterpretation auflockert. Er kann das überflüssige Salzkorn in der Suppe sein, das alle zum Schmunzeln bringt – ohne die Tugenden zu brechen. Was er auch erledigt, führt er mit Präzision aus – zur größten Freude seines Fahrers.

Bilder: Heinrich Hülser Picture-Service / Benjamin Brodbeck

Benjamin Brodbeck

Benjamin Brodbeck ist 33 Jahre alt und studierte Automobilwirtschaft bei Prof. Dr. Diez. Danach wechselte er an die Universität Wien, wo er Publizistik- und Kommunikationswissenschaften studierte und mit dem akademischen Grad 'Magister der Philosophie' abschloss. Neben seiner Tätigkeit als Jazz-Pianist bringt er seine Leidenschaft für und sein Wissen von Automobilen in Form und Sprache als Publizist bei AUTOmativ.de sowie zahlreichen weiteren Plattformen und Unternehmen zum Ausdruck.

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